Eine bleiche Erinnerung. Novelle
Wien, Dezember 1909.
Der in München gescheiterte Schriftsteller Thomas Mann ist in Wien, der Hauptstadt der k.u.k.
Donaumonarchie gestrandet; heruntergekommen, lethargisch und unfähig zu jeder weiteren schöpferischen
Tätigkeit. Seitdem das Manuskript seines monumentalen Romans
"Buddenbrooks", der von ihm als Jahrhundertwerk
konzipiert wurde, auf dem Postwege zum S. Fischer Verlag in Berlin unwiederbringlich verloren gegangen ist,
befindet sich der geniale Künstler in einer existenziellen Lebenskrise, die ihn an den Rand des Selbstmords
führt. In Wien findet der in der sozialen Hierarchie ganz unten angelangte und unterdessen 34 Jahre alte
Autor schließlich Unterkunft im Männerheim an der Meldemannstrasse. Hier macht er die Bekanntschaft mit
einem ebenfalls dort angestrandeten 20-jährigen Sonderling und angehenden Kunst- und Postkartenmaler aus
Linz, dessen unbändige Willenskraft und unbeirrbarer Glaube an die eigene Sendung ihn immer wieder in
fassungsloses Erstaunen setzen.
Zögernd belauern sie sich zunächst, tasten sich schließlich aneinander heran und begründen eine eigentümliche
Freundschaft, die von Zuneigung und Bewunderung, aber auch von Eifersucht, Mißtrauen und wachsender menschlicher
Entfremdung bestimmt ist. Dennoch leben beide geradezu als "Brüder" in einer seltsamen Symbiose. Gemeinsam
durchstreifen sie die Kunsttempel der Metropole des Habsburgerreiches, berauschen sich in der Hofoper an
den Musikdramen Richard Wagners und ergeben sich ihren selbstgeschaffenen Traumwelten und hochgestochenen
künstlerischen Plänen. Im Mai 1913 fassen die beiden Gescheiterten den Entschluss Wien endgültig den Rücken
zu kehren, um in der Kunststadt München noch einmal völlig neu zu beginnen. Thomas Mann tritt als Lektor in
die Redaktion des
"Simplicissimus" ein; sein Freund lässt sich als Fachzeichner bei der renommierten
Baufirma
Heilmann & Littmann ausbilden, vermittelt von Albert Heilmann, einem Jugendfreund Manns, der die
geistvolle und betörende Hélène d' Armand begehrt, die ein geheimes Zusammentreffen mit dem gestrauchelten
Schriftsteller arrangiert und sich ihm anvertraut.
Thomas Manns Fragment "Der Tod in Venedig" und seine innere Abkehr von dem gemeinsamen Idol Richard Wagner
leiten schließlich den allmählichen Bruch zwischen beiden Männern ein; noch gravierender jedoch ist die
Hinwendung des Älteren zu Hannah Löwenstern, einer schönen Jüdin und der wohl glänzendsten Partie der Stadt.
Doch der Kriegsausbruch im August 1914 verändert alles; noch einmal finden die Freunde zusammen, wenige Wochen
später aber endet ihr Weg in der Katastrophe; verwischt die Spur des einen, verweht diejenige des anderen,
als hätten beide niemals existiert; eine bleiche Erinnerung, ein dunkles Gerücht.
Werner Bräuninger
Eine bleiche Erinnerung. Novelle
geb., 179 S.
Arnshaugk Verlag
ISBN 3-95930-201-0
€ 18,--
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